Zwischen Vorschriften und Verantwortung: So sieht Material Compliance in der Praxis aus

Ivanka Volpp-ZitatMaterial Compliance ist ein zunehmend wichtiger Bereich für Unternehmen, die weltweit agieren und gesetzliche sowie kundenspezifische Anforderungen an ihre Produkte erfüllen müssen. Material Compliance-Beauftragte sorgen dafür, dass eingesetzte Materialien den komplexen regulatorischen Vorgaben entsprechen – eine Aufgabe, die technisches Verständnis, rechtliches Know-how und viel Koordinationsgeschick erfordert.

Ivanka Volpp, Compliance Officer Würth Elektronik Group, gibt uns einen Einblick in diesen Job. Wir haben mit ihr unter anderem darüber gesprochen, wie sie zu ihrem Beruf gekommen ist, welche Aufgaben sie als Material Compliance-Beauftragte übernimmt und was sie an ihrer Arbeit besonders fasziniert.

Ivanka Volpp
Ivanka Volpp, Compliance Officer Würth Elektronik Group

Wie sind Sie zu Ihrem Beruf im Bereich Material Compliance gekommen und welchen beruflichen Hintergrund – naturwissenschaftlich oder juristisch – bringen Sie mit?

Bei mir war das weniger ein bewusstes Anstreben, sondern vielmehr eine konsequente Entwicklung. Ich habe ursprünglich im Bereich Trade Compliance angefangen, also als Verantwortliche für Zoll- und Exportkontrolle. Im Laufe der Jahre habe ich dann weitere Aufgaben im Bereich Corporate Compliance übernommen. Da diese Bereiche eng mit dem Risikomanagement verknüpft sind, war es eine logische Konsequenz, auch das Thema Product und Material Compliance mit aufzunehmen.

Ich bin Fachkauffrau für Außenwirtschaft und komme aus dem mittleren Management. Über Weiterbildungen habe ich mich mit Qualitätsmanagement und internen Audits vertraut gemacht. Durch die Deklarationspflichten im Außenwirtschaftsbereich kam ich zwangsläufig mit dem Thema Product und Material Compliance in Berührung. Ursprünglich komme ich aus der Kommunikationsbranche und bin auch Dolmetscherin – die Mehrsprachigkeit war dabei ein großer Vorteil, besonders beim Umgang mit juristischen Texten.

Welche konkreten Aufgaben übernimmt eine Material-Compliance-Beauftragte heutzutage? Arbeiten Sie dabei eher allein oder im Team, und sind Sie auch international tätig?

In den meisten Unternehmen ist Material Compliance keine Vollzeitstelle. Gerade im Mittelstand ist es wichtig, schlanke Prozesse zu gestalten. Unsere Aufgabe ist es, auf jeder Gesellschaftsebene einen vorausschauenden Prozess zur Stammdatenpflege und Merkmalslenkung aufzubauen. Das beginnt mit der proaktiven Beobachtung von Gesetzesänderungen, deren Analyse und der Integration in das Managementsystem. Von Organisationsanweisungen über Schulungen bis hin zu konkreten Arbeitsanweisungen. Dabei arbeite ich eng mit den Bereichen Qualität, Umwelt und Nachhaltigkeit zusammen.

In der Würth-Gruppe wurde die Governance-Funktion „Material Compliance“ eingeführt und auf die verschiedenen Divisionen verteilt. Ich bin in der Assistenz der Geschäftsbereichsleitung tätig und betreue mehrere Einzelgesellschaften. Vor Ort arbeiten dann die jeweiligen Verantwortlichen für Product und Material Compliance.

Ja, das ist das Spannende an der Aufgabe. Wir arbeiten über Ländergrenzen hinweg – in Europa, Asien und Amerika. Dabei geht es nicht nur um geografische Unterschiede, sondern auch um unterschiedliche regulatorische Anforderungen.

Was begeistert Sie an Ihrem Beruf im Bereich Material Compliance, und mit welchen Herausforderungen sind Sie in Ihrem Arbeitsalltag konfrontiert?

Ich sehe im Bereich Material Compliance ein großes Innovationspotenzial. Es geht nicht nur um Einschränkungen, sondern auch darum, Produkte zukunftsfähig, umweltfreundlich und wirtschaftlich weiterzuentwickeln. Der Bereich hat durch das gestiegene Nachhaltigkeitsbewusstsein enorm an Dynamik gewonnen. Besonders spannend ist der Austausch mit anderen Branchen – von Elektronik über Chemie bis hin zur Lebensmittelindustrie.

Die größte Herausforderung ist die Vielzahl an unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen – sowohl innerhalb der EU als auch international, etwa in den USA oder Kanada. Die Auslegung von Gesetzestexten ist oft interpretationsbedürftig. Es geht darum, den richtigen Weg zwischen Konformität und Overcompliance zu finden. Besonders aufwendig ist die Pflege der Dokumentation und Deklarationen, die für verschiedene Märkte erforderlich sind.

Gibt es eine Vision oder einen Wunsch, wie sich die Prozesse verbessern ließen?

Mein Wunsch wäre eine zentrale Datenquelle – eine „Single Source of Truth“ – aus der alle relevanten Systeme gespeist werden. Wir sind auf dem Weg dorthin. Innerhalb der Würth-Gruppe haben wir eine sehr kompetente IT-Division, die uns dabei unterstützt. Aber es ist ein langfristiger Prozess, der sowohl technologische als auch personelle Ressourcen erfordert.

Welche Kompetenzen sind für den Beruf besonders wichtig und wie hat sich das Berufsfeld in den letzten Jahren verändert?

Eine strukturierte Arbeitsweise und analytisches Denken sind essenziell, um aus der Vielzahl an Regularien das Relevante herauszufiltern. Ebenso wichtig ist Kommunikationsfähigkeit – man muss die Mitarbeitenden in den Prozessen mitnehmen und ein Bewusstsein für die Bedeutung von Compliance schaffen.

Ich arbeite seit über 20 Jahren mit Deklarationspflichten. Das Berufsfeld „Material Compliance“ als solches gibt es in dieser Form noch gar nicht so lange. Es ist eher ein Verantwortungsbereich, der zunehmend komplexer wird. Die Zahl der Schnittstellen im Unternehmen hat stark zugenommen – heute gibt es zusätzlich Nachhaltigkeits-, Arbeitssicherheits- und Innovationsbeauftragte. Die Kommunikation ist dadurch deutlich intensiver geworden.

Wie organisieren Sie den Austausch innerhalb Ihres Unternehmens? Können Sie ein Beispiel für eine besonders schwierige Situation nennen?

Wir nutzen digitale Tools wie Microsoft Teams sehr intensiv. Darüber organisieren wir den Austausch, beantworten Fragen und teilen Wissen. Zusätzlich gibt es ein umfangreiches internes Schulungsangebot – von E-Learnings bis zu Webinaren – das auch unseren Geschäftspartnern zur Verfügung steht.

Aktuell haben wir eine Herausforderung mit einem chemischen After-Sales-Produkt für den US- und kanadischen Markt. Die Schwierigkeit liegt darin, die unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen – etwa Proposition 65 in den USA und SVHC in der EU – korrekt zu interpretieren und umzusetzen. Hinzu kommen sprachliche Anforderungen und die Notwendigkeit, die Dokumentation verständlich und regelkonform aufzubereiten. Das ist sehr zeitaufwendig und erfordert viel Detailarbeit.

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung im Bereich Material Compliance?

Ich glaube, die Komplexität wird weiter zunehmen. Material Compliance ist ein klarer Wettbewerbsvorteil. Wer hier nicht sauber arbeitet, riskiert Reputationsschäden und Marktverluste. Gleichzeitig steigt die Sichtbarkeit und Wertschätzung dieser Funktion im Unternehmen – auch, weil sie zur Risikominimierung auf Managementebene beiträgt.

Haben Sie Tipps für Menschen, die in diesen Bereich einsteigen möchten?

Man sollte den Fokus nicht verlieren, die Interessen klar differenzieren und Durchhaltevermögen mitbringen. Wer sich nicht für das Lesen, Analysieren und Schreiben begeistern kann, wird in diesem Beruf nicht glücklich. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe mit wachsender Verantwortung und interessanten Entwicklungsmöglichkeiten.


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Compliance oder Krise? Wie die Elektroindustrie auf neue Anforderungen reagieren muss

Jörg Ertelt-Zitat

Die Anforderungen an die Product Compliance in der Elektroindustrie nehmen kontinuierlich zu – nicht nur aufgrund komplexer gesetzlicher Vorgaben, sondern auch durch den steigenden Anspruch an Sicherheit, Nachhaltigkeit und Transparenz entlang der gesamten Lieferkette.

In unserem Interview sprechen wir mit Jörg Ertelt über die aktuell größten Hürden bei der Umsetzung von Product Compliance, über besonders kritische Normen und Vorschriften sowie über die Rolle von Risikobeurteilung, Konformitätsbewertung und Produktbeobachtungspflicht bei der Entwicklung einer nachhaltigen und gesetzeskonformen Produktstrategie.

Jörg Ertelt
Jörg Ertelt, Gründer und Inhaber von HELPDESIGN-JÖRG ERTELT

Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen bei der Umsetzung von Product Compliance in der Elektroindustrie?

Aus meiner Perspektive als Unternehmer und Berater sehe ich die Umsetzung europäischer Regularien zur Produktkonformität als eine der größten Herausforderungen im unternehmerischen Alltag. Diese Regularien nehmen in Anzahl und Komplexität stetig zu und erreichen europäische Unternehmen in immer kürzeren Abständen. Zudem zeigt sich, dass die Qualität der Ausarbeitung nicht immer konsistent ist — von fehlender Interpunktion über sehr lange Sätze bis hin zu Logiklücken und sinnentstellenden Übersetzungen.

Eine zentrale Rolle in diesem Zusammenhang spielt der Green Deal, insbesondere die Ökodesign-Verordnung als Exekutiv-Rechtsvorschrift, die weitreichende Auswirkungen hat. Anstatt primär Anreize für Innovationen zu setzen, steht die Einhaltung umfangreicher Vorgaben im Vordergrund, die potenziell jedes Unternehmen betreffen können — auch solche, die sich rechtskonform verhalten. Hinzu kommt, dass die Ökodesign-Verordnung nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern im Kontext mit zahlreichen weiteren Rechtsvorschriften zu sehen ist, die direkt oder indirekt damit verknüpft sind. Die Herausforderung besteht zunehmend darin, das eigene Unternehmen erfolgreich zu führen und zugleich den vielfältigen regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden.

 

Welche gesetzlichen Vorgaben und Normen sind derzeit besonders kritisch für Unternehmen der Branche?

Das kommt darauf an, was mit „kritisch“ gemeint ist. Kritisch im Sinne von „unternehmensbedrohend“? Oder im Sinne von „herausfordernd, aber nicht existenzgefährdend“? Oder als „eine Situation, bei der man mit einem Sachverhalt nicht vollständig einverstanden ist“?

Eine Herausforderung stellt derzeit insbesondere die Produktsicherheitsverordnung (EU) 2023/988 dar, die etliche Unternehmen offenbar unvorbereitet getroffen hat. Jedenfalls zeigt sich bei einigen dieser Unternehmen inzwischen die Erkenntnis, dass ein auf den ersten Blick harmloses Buch als Verbraucherprodukt durchaus sicherheitsrelevant sein kann. Dabei zielt die Produktsicherheitsverordnung nicht auf den Inhalt ab, sondern auf potenzielle Risiken, die vom physischen Produkt „Buch“ ausgehen könnten. Wer dabei an den Film Der Name der Rose denkt, in dem Mönche beim Lesen vergifteter Bücher ums Leben kamen, liegt allerdings daneben. Mit Produktsicherheit hat das nichts zu tun. Vielmehr wurde dort der Gedanke verfolgt, durch vergiftete Seiten das Lachen zu unterbinden.

Ein weiterer Aspekt betrifft die Funkanlagenrichtlinie. Immer mehr Hersteller setzen auf die Strategie, „smarte“ Produkte anzubieten. So wird es zunehmend als modern empfunden, etwa eine Waschmaschine, die in Stuttgart steht, von Hamburg aus per Smartphone und App zu steuern. Wer dann tatsächlich die Wäsche einlegt, wenn man selbst nicht vor Ort ist, bleibt dabei oft offen. Wie auch immer: Diese Hersteller müssen sich künftig mit dem Cyber Resilience Act und ggf. mit den einschlägigen harmonisierten Normen zur Funkanlagenrichtlinie auseinandersetzen, die Anforderungen an die Cybersicherheit stellen. Wenn darüber hinaus ein Hersteller sein smartes Produkt mit Holz veredeln möchte, berührt das schnell die sogenannte Entwaldungsverordnung (EU) 2023/1115. In diesem Fall ist der Hersteller gehalten, in einer Sorgfaltserklärung die Geokoordinaten anzugeben, an denen der Baum gewachsen ist, dessen Holz verwendet wurde.

Nicht zuletzt seien exemplarisch noch die Richtlinie zum Recht auf Reparatur sowie die neue Verpackungsverordnung genannt. Das Thema Künstliche Intelligenz lasse ich an dieser Stelle außen vor.

 

Wie helfen Risikobeurteilung, Konformitätsbewertung und Produktbeobachtungspflicht Unternehmen konkret bei der Entwicklung einer rechtssicheren Produktstrategie?

Zunächst ist festzuhalten, dass Risikobeurteilung und Konformitätsbewertung Instrumente zur Erfüllung der Vormarktpflichten sind, während die Produktbeobachtung ein Instrument zur Erfüllung der Nachmarktpflichten darstellt. Vormarktpflichten sind jene Pflichten, die Wirtschaftsakteure wie Hersteller, Einführer oder Händler vor der Bereitstellung von Produkten auf dem Markt der EU erfüllen müssen. Man kann auch sagen: Ohne die Erfüllung der Vormarktpflichten ist ein Marktzugang von Produkten mangels Verkehrsfähigkeit nicht möglich. Nachmarktpflichten hingegen sind jene Pflichten, die von den genannten Wirtschaftsakteuren zu erfüllen sind, nachdem diese Produkte auf dem Markt der EU bereitgestellt haben. So muss z. B. ein Hersteller aktiv werden, wenn er nach dem Inverkehrbringen seines Produkts festgestellt, dass dieses nicht sicher ist und eine Gefahr für Leib und Leben darstellen könnte. Gerade bei Verbraucherprodukten gibt es hierzu zahlreiche Beispiele, die im Safety Gate dokumentiert sind.

Anders ausgedrückt: Wer die Erfüllung der Nachmarktpflichten möglichst vermeiden möchte, sollte mit besonderem Augenmerk und Sorgfalt die Umsetzung der Vormarktpflichten betreiben. Letztlich können die möglichen Sanktionen, die bei Verstößen drohen, erhebliche Auswirkungen haben. Nicht unbedingt für global agierende Unternehmen wie Suchmaschinenbetreiber oder Hersteller von Smartphones, bei denen solche Sanktionen oftmals bereits in die Produkte bzw. Dienstleistungen einkalkuliert sind. Bei kleinen und mittleren Unternehmen mit begrenzten finanziellen Ressourcen und geringeren Möglichkeiten, mögliche Sanktionen einzuplanen, stellt sich die Situation jedoch deutlich anspruchsvoller dar. Insofern sollten Risikobeurteilung und Konformitätsbewertung besonders in den Fokus gerückt werden.


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Was genau macht eine Person, die für Material Compliance zuständig ist und wie sieht der Weg in dieses Berufsfeld aus?

Maike Paehler-Zitat

In unserem Interview mit Maike Paehler erfahren wir, wie vielseitig und anspruchsvoll dieser Beruf ist. Sie teilt Einblicke in ihre tägliche Arbeit, von der Einhaltung gesetzlicher Anforderungen bis hin zur Entwicklung nachhaltiger Produkte. Erfahren Sie, welche Herausforderungen sie dabei meistert und wie sie mit ihrem Engagement zum Umwelt- und Gesundheitsschutz beiträgt. Ein spannendes Gespräch über ein zukunftsweisendes Berufsfeld!

 

Maike Paehler
Maike Paehler, Compliance Managerin bei KROHNE Messtechnik GmbH

Frau Paehler, wie sind Sie zu einer Karriere im Bereich Material Compliance gekommen, und was motiviert Sie in diesem Berufsfeld?

Ich habe nach dem Chemiestudium angefangen als Entwicklerin für elektrochemische Sensoren zu arbeiten. In dem Arbeitsbereich hatte ich erste Berührungspunkte mit dem Thema Material Compliance, da dieses bei der Produktentwicklung berücksichtigt werden muss. Das hat damals schon mein Interesse geweckt. Dann habe ich intern bei KROHNE das Angebot bekommen in diesem Bereich zu arbeiten, was ich gerne angenommen habe. Aus meiner Sicht wird dieses Thema auch zukünftig wichtig sein, da das Bewusstsein für umwelt- und gesundheitsschädliche Stoffe steigt. Es ist ein wichtiger Teilaspekt beim Eco Design, dem Entwickeln nachhaltiger Produkte.

Was sind Ihre Hauptaufgaben im Bereich Material Compliance, und mit welchen Abteilungen und Stakeholdern arbeiten Sie zusammen? Welche Herausforderungen begegnen Ihnen dabei im Arbeitsalltag?

Zunächst muss ein funktionierender Prozess für das Material Compliance Management vorhanden sein, andernfalls ist dieser zu entwickeln und zu implementieren. Im Rahmen dieses Prozesses muss zu allen Materialien und Artikeln eine Dokumentation bezüglich der Material Compliance Anforderungen erstellt werden. Da Regulierungen, Standards und Marktanforderungen sich verändern, ist eine regelmäßige Pflege der Daten nötig. Dies erfolgt am besten in Kooperation mit weiteren Abteilungen, wie dem Einkauf, der Produktentwicklung oder dem Material- und Komponentenmanagement. Produkte müssen bezüglich ihrer Materialkonformität bewertet werden, bevor sie auf den Markt kommen. Diese ist von den Zielregionen und -märkten abhängig. Hier ist die Unterstützung von Produktmanagement und dem Vertrieb hilfreich. Als Compliance Managerin begleite ich den ganzen Lebenszyklus des Produktes, von der Entwicklung bis hin zur Wiederverwertung bzw. Entsorgung. Das Material Compliance Management ist nicht bei allen Kolleg:innen ein Fokusthema. Daher zählt es zu meinen Aufgaben auf die Umsetzung des internen Prozesses zu achten und Aufmerksamkeit auf die anfallenden Aufgaben zu lenken. Das kann schon mal mühselig sein und bedarf Ausdauer.

Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit und wie gehen Sie sicher, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Compliance-Richtlinien verstehen und umsetzen?

Ich verfolge gerne die Gesetzeslage und die Diskussionen dazu (z.B. über Arbeitskreise im ZVEI e. V. ) und versuche dann die Neuerungen im Unternehmen zu adressieren, zu koordinieren sowie bei der Umsetzung der Material Compliance Anforderungen zu unterstützen. Die Arbeit ist also sehr interdisziplinär, was mir gefällt, da ich Einblick in viele verschiedene Arbeitsbereiche bekomme. Vor allem kann ich mit meiner Arbeit einen Beitrag zu Umwelt- und Gesundheitsschutz leisten und die Entwicklung nachhaltiger Produkte unterstützen. In erster Linie stehe ich als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Wenn ich den Eindruck habe, dass es irgendwo Missverständnisse gibt, gehe ich auf die Kolleg:innen zu und spreche das Thema an. Bei Bedarf können z.B. auch Schulungen durchgeführt werden.

Welche Kompetenzen sind in Ihrem Berufsfeld besonders wichtig, und wie lösen Sie schwierige Material Compliance-Situationen?

Gute Organisationsfähigkeiten, dazu gehört für mich komplexe Themen in kleine Aufgabenpakete herunterzubrechen und diese sinnvoll zu priorisieren. Die Kommunikation innerhalb des Unternehmens zur Sensibilisierung bezüglich der verschiedenen Material Compliance Themen ist wichtig. Da die Tätigkeit, wie gesagt, sehr interdisziplinär ist und man mit vielen verschiedenen Kolleg:innen Kontakt hat, ist auch die Art der Kommunikation wichtig. Ich habe angefangen im Bereich Material Compliance Management zu arbeiten als das PFAS-Beschränkungsdossier veröffentlicht wurde. Daraufhin haben wir bei KROHNE unser Produktportfolio auf enthaltene PFASs überprüft und auch einen Beitrag im Rahmen der Konsultation bei der ECHA eingereicht. Auch in den USA gibt es mittlerweile verschiedenste Bestrebungen PFAS zu regulieren (Berichtspflichten, Beschränkungen, Verbote). Das nicht einheitliche Vorgehen lässt die Aufgabe immer komplexer werden. Den Überblick zu behalten und die Aufgaben richtig zu priorisieren ist eine Herausforderung. Noch kann ich nicht sagen, wie gut KROHNE sie meistern wird, da die Regulierungsbestrebungen noch nicht abgeschlossen sind.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Berufsbild der Material Compliance Beauftragten entwickelt und welche Tipps würden Sie für eine Karriere in diesem Bereich geben? Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des Bereichs?

Das kann ich (noch) nicht beurteilen, da ich erst seit knapp zwei Jahren als Compliance Manager arbeite. Vorher hatte ich nur wenig Berührungspunkte mit dem Arbeitsbereich. Mein Eindruck ist, dass sich das Berufsbild mehr und mehr etabliert, auch wenn die Berufsbezeichnung sehr variabel ist (Beauftragter, Officer, Manager, Koordinator,…). Man muss Spaß daran haben sich mit Gesetzen und Normen auseinanderzusetzen. Die daraus resultierenden Anforderungen müssen an Kolleg:innen und Management adressiert und auch mit diesen diskutiert werden. Kommunikationsfähigkeiten sind also erforderlich. Es kann passieren, dass man auf Leute trifft, die die Sinnhaftigkeit dieser Regulierungen in Frage stellen. Auch mit solchen Situationen muss man umgehen können. Ein Grundinteresse für die Chemie sowie ein Verständnis der Herstellungsprozesse für Chemikalien und Materialien sind sehr hilfreich. Aus meiner Sicht werden die gesetzlichen Anforderungen nicht weniger werden. Ich hoffe, dass es zukünftig mehr Vereinheitlichung geben wird und am besten eine internationale Abstimmung zu diesen Themen, damit neue lokale Regulierungen nicht deutlich von den bereits vorhandenen Gesetzen abweichen. Das ist allerdings eine sehr große Herausforderung, die wahrscheinlich höchstens in Teilen umgesetzt werden kann. Schon heute ist die Substitution von gesundheits- und umweltschädlichen Stoffen ein Schwerpunktthema, das auch im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft weiter vorangetrieben werden muss.


Wer die Inhalte des Artikels weiter vertiefen möchte, kann sich in unserer Lehrgangsreihe weiterbilden. Gemeinsam mit imds professional GmbH & Co KG haben wir ein Programm entwickelt, das sowohl theoretische Grundlagen als auch praxisorientierte Konzepte zur praktischen Umsetzung umfasst.

Die Zukunft der Energie liegt in der Präzision der Messung: Ein Gespräch mit Ines Muskau über die Bedeutung von Smart Metering

Zukunft der EnergieIn einer Welt, in der Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist die genaue Messung und Verwaltung des Energieverbrauchs entscheidend. Wir sprachen mit Ines Muskau, Trainerin für Smart Metering, über die entscheidende Rolle intelligenter Messsysteme.

Frau Muskau, warum ist es wichtig sich mit dem Thema Smart Metering zu beschäftigen? Für wen würden Sie das Training empfehlen?

Das Messwesen liefert die Daten, um den Energieverbrauch, Netzentgelte, Umlagen und Steuern zu berechnen. Ohne die Messwerte kann kein Unternehmen, weder Lieferanten, Netzbetreiber, UNB, BKV etc. Rechnungen schreiben und Geld verdienen. Alle Marktbeteiligten brauchen kongruente Daten, sowohl für den Betrieb ihres Grundgeschäfts als auch die Abrechnung.

Bisher wurden Teile der Daten über Standardlastprofile abgebildet und konnten mehr oder wenige zuverlässig „geschätzt“ werden. Durch die zunehmende Einspeisung volatiler erneuerbarer Energien in sämtliche Netzebenen und die Zunahme von E-Mobilität und anderen signifikanter Lasten (Speicher, Wärmepumpen & co.) stimmen diese Lastprofile nicht mehr mit der Realität überein, so dass immer häufiger manuell in die Netzsteuerung eingegriffen werden muss und erheblicher Aufwand entsteht. Die Kosten für Redispatch stiegen im Jahr 2022 auf rd. 4,2 Mrd. EURO. Die Netzbetreiber benötigen zusätzlich zu den Großverbrauchern auch im mittleren Segment zuverlässige Daten, um ihre Prognosequalität zu verbessern und die Zahl der nötigen Eingriffe zu verringern.

Um die Energiewende nicht nur über die Erzeugung, sondern auch über effizienteren Verbrauch voranzubringen, benötigen auch die Verbraucher zeitnah zuverlässige Daten, um ihr Verbrauchsverhalten anpassen zu können.

Quelle: Ernst Kiel

Was denken Sie sind die zukünftigen Herausforderungen für Unternehmen im Themenbereich des Smart Metering?

Die Einführung des intelligenten Messwesens erfordert bei allen Netzbetreibern, die die gMSB-Funktion übernehmen, umfangreiche Prozess- und Systemveränderungen.


Quelle: Ines Muskau

Nicht nur das Messwesen selbst verändert sich, sondern es hat Auswirkungen in alle Bereiche. Es ist wesentliche stärker IT-lastig und erfordert Kompetenzen, die in den EVU bislang nicht in dieser Form ausgeprägt waren. Energie und IT sprechen unterschiedliche Sprachen, so dass ein enormer Übersetzungsaufwand entsteht. Ein Teil dieses Sprachproblems kann durch die Schulung behoben werden.

Zudem fällt es anderen Unternehmensbereichen leichter, sich auf die nötigen Veränderungen einzustellen, wenn Sie verstehen, warum der Aufwand nötig ist und was die Kolleginnen und Kollegen im Messwesen plötzlich anders machen müssen und warum das bisweilen so schwierig ist. Ohne ausreichendes Hintergrundwissen ist die Verständigung zwischen den Bereichen oft enorm schwierig. Andererseits bietet das neue Messwesen die Basis für neue Digitalisierungsansätze und Geschäftsmodelle, die einen Ausgleich für die anfangs enorm belastenden Einführungskosten ermöglichen.


Quelle: Ines Muskau

 

Mit welchen rechtlichen Grundlagen sollten sich Unternehmen vor allem befassen und welche Folgen drohen bei Nichtbeachtung?

Bis zum 31.12.2025 müssen alle Netzbetreiber 20% der Zählpunkte mit einem Jahresstromverbrauch von 6.000 – 100.000 kWh mit intelligenten Messystemen (iMSys) ausgerüstet haben. Da die Einführungsprojekt oft langwierig und kompliziert sind, sollte spätestens im zweiten Halbjahr 2024 begonnen werden. Ansonsten droht die Aberkennung der Grundzuständigkeit durch die BNetzA.

Möchten Sie sich weiter über das Thema Smart Metering informieren? Hier finden Sie unser Online-Seminar zum Thema: https://zvei-services.de/Veranstaltungen/smart-metering-von-den-grundlagen-zur-anwendung/

Zu den metering days, dem größte Jahresevent für die Smart Meter Branche, geht’s hier: https://metering-days.de/